Ein Schlüsselerlebnis
Es gibt Momente im Leben einer Frau, da könnte sie ihrem Liebsten den Hals umdrehen, ihn vierteilen, erdolchen, erstechen, köpfen, erhängen, ihm Arsen unters Essen mischen, ihn von der Klippe stürzen, ihm Skorpione und Klapperschlangen ins Bett legen. Aber lasst mich von vorne beginnen. Unser erster Tag auf Maui versprach nicht so gutes Wetter. Das heißt, mein nach der langen Anreise wohlverdienter Strand-Tag fiel wegen Nebel aus. Stattdessen zogen wir die Besichtigung des ortsansässigen Haleakala vor.
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Die Scheiben waren irgendwann total beschlagen, durch die fehlende Dichtung in der Beifahrertür pfiff der Wind, kein Radio, kein Licht, keine Heizung. Und Volkers lange Hose und mein Buch lagen wohlverschlossen im Kofferraum. So warteten wir auf den Schlüsseldienst, den zuvor zwei freundliche amerikanische Mustangfahrer für uns angerufen hatten. Die Zeit verring nur zähflüssig und ich plante bereits – nein, nicht die anfänglich aufgeführten Dinge mit Volker anzustellen – sondern Notfallpläne. Gut, es war noch hell, im Park waren noch Leute, also alles nicht so schlimm. Bis der Locksmith, der uns nach Volkers Meinung eigentlich gar nicht übersehen konnte, an uns vorbei fuhr. Volker hatte es aber auch gar nicht eilig, als wir trotz vernebelter Windschutzscheibe den Wagen endlich erkannten, rauszuspringen und zu signalisieren, dass wir es sind, die auf ihn warten. Für ihn war es klar, wir waren doch nicht übersehbar. Für die Locksmith’s waren wir jedoch ein Paar, das nicht gestört werden wollte, und so fuhren sie weiter. Nach einer weiteren knappen Stunde, mittlerweile war die Sonne untergegangen und es wurde dunkel, das Auto-Erkennen wurde also beiderseits recht schwierig, und ich sah uns schon auf der Titelseite der Bild am Sonntag – Deutsches Paar auf Hawai’i erfroren – retteten sie unseren Schlüssel aus dem Kofferraum, uns vom 11.000 feet hohen Haus der Sonne (nein, die Hawai’ianer haben aber auch einen Sinn für Humor) und Volkers Leben.
Volker schreibt dazu: Auf dem Rückweg hielten wir am Nationalparkschild an, um ein Foto von uns beiden zu machen. Auf dem Hinweg hatte es geregnet. Ich stieg aus und holte das Stativ aus dem Kofferraum. Als ich den wieder geschlossen hatte, merkte ich, daß ich keinen Autoschlüssel in der Hand hatte. Der war scheinbar noch im Kofferraum. Ich rief Uli zu, sie solle auf keinen Fall die Autotür schliessen, da ich nicht wusste, ob sie sich nicht evtl. vielleicht selber schliessen würde. Ich hatte schon etwas in dieser Richtung erlebt. Das Problem war aber ein ganz anderes. Im Gegensatz zum Chrysler Sebring, den wir im letzten Urlaub gefahren hatten, kann man im Mustang den Kofferraum nicht mit Knopfdruck im Innenraum öffne, sondern nur mit der Fernsteuerung. Und die war am Schlüssel. Und der lag im Kofferraum. Panik. Nach verschiedenen Tests merkten wir, daß der Kofferraum wirklich nicht zu öffnen war. Grössere Panik. Ich winkte einem Mustang, der gerade vorbei fuhr, um Hilfe zu. Jetzt stellte sich heraus, was man eigentlich schon immer von den Amis wusste. Sie sind extrem hilfsbereit, egal worum es geht, wie das Wetter ist oder wie blöd der Hilfesuchende ist. Nach weiteren Tests wurde per Cellphone - in Deutschland heisst es Handy - bei Alamo angerufen und nachgefragt, was zu tun wäre. Mittlerweile war ein weiterer Mustang mit einem Amipaar zu Hilfe gekommen. Beide telefonierten um Hilfe. Es mittlerweile 4 Uhr, es regnete und war eisekalt. Um halb 5 war geklärt, daß ein Locksmith aus Kahului zu Hilfe kommen würde. Es würde 200 $ kosten - aber was sollten wir tun, in dem Fall hatten wir keine andere Chance. Ich erklärte, wo wir zu finden wären, die hilfreichen Amis verabschiedeten sich und wir warteten im kalten Auto auf Hilfe. Nach einer Stunde Wartezeit sahen wir einen Jeep kommen, der neben uns hielt. Ich stieg aus, um unsere Retter zu begrüssen. In dem Moment fuhr der Wagen weiter. Der Fahrer hatte es wohl eilig und nur eine Sekunde gewartet. Sehr grosse Panik. Ich rannte hinterher, war aber natürlich zu langsam. Ich konnte die weitere Fahrt sehen, es ging immer weiter den Berg hinauf. Einen 2 Minuten später kommenden Wagen hielt ich an und erklärte den Insassen, daß sie bitte, wenn sie den Locksmith-Jeep sähen, Bescheid sagen sollten, daß wir hier unten wären. Eine halbe Stunde später war zwar ein herrlicher Sonnenuntergang, aber keine Hilfe zu sehen. Ich saß mittlerweile nicht mehr im Auto, sondern stand auf der Strasse, um jeden Wagen anzuhalten und zu kontrollieren, ob es unsere Hilfe war. Zum Glück gab es nur diese einzige Strasse bergauf. Regen? Kälte? Egal, wir konnten doch nicht den Rest des Urlaubes hier oben verbringen und langsam erfrieren und verhungern. Uli überlegte sich inzwischen, wie sie mich möglichst qualvoll umbringen könne.
Um halb 7, mittlerweile war es stockdunkel, kam der Schlüsselmeister endlich und hielt diesmal auch an. Er steckte einen frisch gefertigten Schlüssel ins Schloß und der Kofferraum war auf. Erleichterung - eine riesige Spannung fiel von uns ab. Von mir sofort, von Uli später..... Motor an, Heizung an, Fahrt nach Hause.
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