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Das Aschemonster – oder Kachelmanns Rache
kredenzt von Uli
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Früher, also vor vielen hundert Jahren, opferte man brodelnden Vulkanen kleine Kinder und auch ganz besonders gerne Jungfrauen, um den verärgerten Gott – oder an was man sonst so glaubte oder wovor man sich fürchtete – zu bestechen. Die Opfer wurden aufgehübscht und mit dem Kopf voran in den ihrer Meinung nach unzufrieden grummelnden Krater geworfen, zusammen mit Weihrauch, Myrrhe und anderen Kräutern, gegen den fiesen Fleischgeruch. Solche brutalen und abergläubischen Zeiten sind zum Glück vorbei. Dachte ich noch bis eben. Aber heute werden Touristen zum Opfer. Gut, sie werden vorher nicht extra aufgeputzt, aber der eine oder andere September-Geborene ist gewiss dabei – und jede Menge Kinder. Und noch ein Gut, sie werden auch nicht in flüssige Lava geworfen. Aber man beschließt mal eben kurzerhand, weil man wahrscheinlich genau so ahnungslos und abergläubisch ist wie vor den oben bereits erwähnten vielen hundert Jahren, dass man sie einfach so ihrem Schicksal überlassen könnte. Und noch ein drittes Gut, es gibt schlimmere Orte, als z. B. Mallorca, an denen man ausgesetzt werden könnte. Früher wurden Menschen in Australien ausgesetzt und nicht mehr abgeholt. Es hätte also auch schlimmer kommen können.
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Aber fangen wir vorne an: eigentlich sollte es nur ein Kurzurlaub, ein verlängertes Wochenende in der Sonne werden, bevor diese sich auch endlich wieder bei uns sehen lässt. Ein paar Tage Mallorca sollten uns auf den kommenden, hoffentlich adäquat zum Winter ausfallendenden Sommer einstimmen. Doch bereits am Freitag ging unter den Hotelgästen ein Gerede von Flugausfällen wegen eines Vulkanausbruches um. He? Welcher Vulkan? Uns sagte das erst mal nichts. Die Titelseite der Bildzeitung beklagte vier Tote Soldaten in Afghanistan, es konnte also nicht so schlimm sein. Die Nachrichten am Abend klärten uns dann auf, aber so wirklich ernst konnten wir das Ganze nicht nehmen. Wieso ein bereits vor Wochen in Island ausgebrochener Vulkan, der überall nur wegen der schönen und seltenen Luftaufnahmen ein Thema war, uns hier in Spanien am Fliegen hindern sollte, war und ist uns immer noch unerklärlich. Naja, bis Sonntagnachmittag ist ja noch lange hin, bis dahin haben sie die „Katastrophe“ bestimmt wieder relativiert. Die werden doch nicht nach diesem verheerenden Krisenjahr verhindern wollen, dass Arbeitnehmer ihrer Steuerzahlungspflicht nachkommen und sie von der Arbeit fernhalten? Doch! Genau das taten sie. Es stellt sich also heraus, dass die Menschen immer noch nicht mehr wissen als vor vielen hundert Jahren, nur anstelle ihres Aberglaubens haben sie jetzt Computerprogramme. Natürlich hat Sicherheit oberste Priorität. Safety first ist so eine unnötige Aussage wie die Erde wäre eine Scheibe. Hallooo... Aber lediglich den Flugbetrieb großräumig einstellen und sonst nichts weiter unternehmen, ist zu wenig für die Verantwortlichen. Und wenn man dann, darauf angesprochen, seinen fachlich kompetenten Gesprächspartner als unter seiner Würde betitelt, anstatt mit Sachkunde aufzuwarten, hat das was von den bereits erwähnten Opferriten. Wie sagt Dieter Nuhr so schön: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten“. Schade, dass sie nicht versucht haben, die theoretischen Ergebnisse des Simulationsprogramms in der Praxis zu bestätigen. Asche auf ihr Haupt!
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Tags darauf titelte die Bildzeitung mit einer gruseligen Schwarz-/Weiß-Aufnahme und der Überschrift „Das Asche-Monster“. Nun war das Thema auch bei ihr angekommen und die Afghanistan-Soldaten müssen leider warten bis sie wieder dran sind (und nach Hause geflogen werden können). Wir wollten uns den Urlaub nicht vermiesen lassen und genossen die Insel mit all ihren schönen Buchten und Stränden, dem leckeren Essen mit dem anschließenden Terry und freuten uns an der Sonne und dem Meer. Wir gewöhnten uns schnell an all die Ali-Babas und fühlten uns wie Helmut und Monika. Aber wir kauften keine Sonnenbrillen, die aussahen als wären sie mit Brillanten besetzt und von einem Designer, dessen Namen uns vollkommen egal ist. Und Nein, wir wollen auch keine Massage, weder von der einen noch von der ... äh einen Schlitzäugin. Sorry, wir wollen nur ein bisschen in der Sonne liegen, da gucken wir uns Menschen, die uns im 5-Sekunden-Takt nach immer derselben Sache fragen (ist es eigentlich eine Frage?) nicht soo genau an. Bis Sonntagnachmittag ist es noch lange hin (der Satz kommt mir bekannt vor) und bis dahin wird sich die Schweinegrippenpandemie harmloser als die normale Grippe entpuppt haben – dachten wir. Es wird ja heute aus jeder Mücke ein Elefant gemacht, so dass man, wenn mal wirklich was Ernstes passiert, es nicht mehr ernst nimmt. An einem irgendeinem Donnerstagnachmittag beschlossen die Medien, aus allem, was für uns ganz normal war, eine Katastrophenmeldung zu machen. Aus einem normalen Sommer wurde ein Jahrhundertsommer und aus einem Jahrhundertsommer ein Klimawandel. Ich fand ja immer schon, dass ein GAU nicht mehr zu steigern ist, und frage mich, wie man in Zukunft noch konjugieren möchte.
Apropos Klimawandel: durch die seit dem Vulkanausbruch aktuellen Sprechblasenabsonderungen der Umweltschützer und Medien wird uns vermittelt, dass sich neben den Unannehmlichkeiten für die Reisenden durch den eingestellten Flugverkehr doch wenigstens die Umwelt freut. Ich kann da nur mal vorsichtig mit meinem Fingerknöchel klopfen, ob der Schädel wirklich so hohl ist. Wenn der Mensch irgendwelchen Feinstaub von sich gibt, muss auf jeden Fall eine grüne Plakette her und er wird zur Kasse gebeten. Wenn ein Vulkan..... oh ja, das ist natürlich niemals umwelt- oder gar gesundheitsschädigend. Und ich weiß auch warum: Hierüber gibt es (noch) keine Studien – und die grüne Plakette bleibt nicht kleben. Nach dem nun also erwiesen ist, dass die Pharmaindustrie die Schweinegrippe nicht nur erfunden sondern auch gewinnbringend in Umlauf gebracht hat, ist doch wohl eindeutig, dass der Klimawandel eine Aktion der Energieunternehmen ist. Dieser Vulkanausbruch wurde Ihnen präsentiert von: Gelb-Strom.
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All unsere Hoffnungen, unseren Rückflug wie geplant antreten zu können, wurden jedoch immer mehr zunichte gemacht. Ein Flug nach dem anderen fiel aus, am Sonntag wurde sogar der Flughafen in Palma geschlossen. Unser Hotel hatte nichts gegen unsere unfreiwillige Verlängerung, da auch keine neuen Gäste nachkamen waren die Zimmer sowieso frei. Das gleiche galt für unseren Leihwagen. Ich genoss die Zeit, so lange sie meine geplante Freizeit war, dass ich aber nicht wie gewohnt bei der Arbeit erscheinen konnte, machte mir schon Sorgen. Der Wetterbericht prophezeite weder günstigere Windrichtungen noch reinigenden Regen, statt dessen erfuhren wir, dass sich der Eyjafjalla-Gletscher-Vulkan noch mehr ins Zeug legen sollte und sein Kollege gleich nebenan sich außerdem genötigt fühlen könnte, da mitzuspucken. Und wir dachten, Island hätte keine Asche mehr. Jedenfalls hörte sich das alles andere als gut an. Das wurde auch nicht besser, als wir erfuhren, dass die Fähren bis Donnerstag komplett ausgebucht sind und die französischen Eisenbahner streiken. Was also tun? Am Montag durfte wenigstens wieder in Spanien geflogen werden und so kamen wir auf die Idee, einen Flug nach Barcelona zu buchen und von dort mit einem Leihwagen nach Hause zu fahren. Wenigstens, so ahnten wir, würde sich nach der Buchung das mit dem Fliegen wieder einrenken. So war es dann auch; aus dem Reisebüro kaum wieder im Hotel zurück, begrüßte man uns mit den Neuigkeiten: es dürfe wieder geflogen werden. Mit Sondergenehmigung auf Sicht. Die Reiseveranstalter, allen voran TUI, nutzten das Angebot sofort aus und brachten die ersten organisiert Reisenden wieder nach Hause. Wir Individualisten können da nicht mithalten und müssen hinten anstehen. Mit anderen Hotelgästen überlegten wir, wer von uns wohl eher zurück in der Heimat wäre, sie, die ihren Flug immer wieder verschoben haben, oder wir. Ich vermute, dass sie Recht behalten haben. Wenn der Hase auf Biegen und Brechen versucht nach Hause zu kommen, sagt der Igel: „Ick bün al dor!“. Wieder andere bestanden darauf, ihren gebuchten Flug pünktlich antreten zu können, sie wollten keinen Einzigen von denen, die warten müssen, vorlassen. Sie haben schließlich ihre Sitze reserviert und sehen nicht ein, durch die Ausfälle der anderen Flüge irgendwelche Nachteile zu haben. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass sie noch eine ganze Woche nach uns nach Hause wollten und – Rentner sind. Wir wissen, dass das Leben kurz ist, und wer wüsste das nicht besser als sie. Ich höre noch Ottos Worte: „seid ihr alle da? Aber nicht mehr lange“. Aber lasst der arbeitenden Bevölkerung den Vortritt. Wir bezahlen immerhin euren Urlaub.
Für welche Lösung sich auch immer die anderen entschieden, wir sind mit Vueling superpünktlich nach Barcelona geflogen. Am Flughafen sahen wir Jemanden mit einem schwarzen T-Shirt und dem Aufdruck: „Ich bin ein Asche-Opfer, Mallorca 2010“. Unser Leihwagen stand in Barcelona bereit und mit ohne TomTom fanden wir ohne Umweg nach Hause. 15 Stunden Fahrt für 1500 km. Vielleicht wäre es besser gewesen, einfach bis Freitag zu warten und unseren regulären Flug anzutreten. Wer weiß…
Wie auch immer, jetzt sind wir auch wieder zu Hause und – haben was zu erzählen. Wie das Auto wieder zurück nach Barcelona kam und die 3000 € Einweggebühr zu sparen - das ist eine ganz andere Geschichte.....
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