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Das ist doch das Letzte!
Eigentlich wollte Volker schon nach der neunten Cruise nicht mehr mitmachen. So, wie viele andere auch, die schon die ganze Zeit dabei sind, findet er, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis einfach nicht stimmt. Wobei die meisten sich noch über den Großteil der unbekannten Bands ärgert. Uns stört das nicht, wir haben auf diese Art schon viele gute Musik kennengelernt. Was wirklich immer ärgerlicher wird, ist das Hinauszögern von Buchungsvorgängen, Informationen und Ankündigungen. Dieses ständige „soon“ ist wirklich höchst unprofessionell und langsam nicht mehr lustig. Aber ich finde, man sollte die dreckige Dekade schon voll machen. Andy Piller, unser Skipper, hat es nach neun Jahren und damit neun Versuchen leider immer noch nicht raus. Alles auf den letzten Drücker. Scheiß doch auf die Gäste, die nicht erst am Tag des Einschiffens von Zuhause abreisen. Ist ihm doch egal, wo die dann ihre Papiere und Kofferanhänger ausdrucken. Und ob überhaupt.
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8.12. Am 7. Januar legt das Schiff ab und bis heute sind erst 38 von 60 Bands klar. Ich weiß, die Schweizer sind ein gemütliches Volk, ich habe mich amüsiert über Emil Steinberger in “Emil bei der Post“, der war sehr laangsaam beim Brotwiegen, aber der Piller Andy kann noch viel laaaaangsaaaaamer. Schade drum, ansonsten hat‘s uns gefallen, aber für so viel Geld erwartet man schon, dass jemand seinen Job ernst nimmt. Ich guck auf meine Bilderwand, neun Jahre 70K TOM und resümiere, es war eine schöne Zeit. Wir haben viele tolle Bands und viele nette Leute kennen gelernt. Das wird mir schon ein bisschen fehlen.
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13.12. Noch 25 Tage und keine weiteren Ankündigungen geschweige denn Reiseunterlagen. Ich muss noch eine Woche arbeiten und könnte da ausdrucken, und dann ist Weihnachten und nix geht mehr. Emil an der Post hat mittlerweile alle Mangbrote vermessen und gewogen, der Piller Andy hat sich zwischenzeitlich wohl nur am Pillermann gespielt, ganz laaaaangsaaaaam. Das braucht Geduld und Sorgfalt, da kann man sich nicht von Geschäften ablenken lassen. Selbst Heidis Opa hat in dieser Zeit die Ziegen samt Ziegenpeter einmal um die Alm getrieben. Wie kann man seine Kunden nur so missachten? Ich hätte fast hassen gesagt, aber da ich den langsamen Andy kennengelernt habe, traue ich ihm solche negativen Gefühle gar nicht zu. Er ist eher der Typ, der heimlich im Keller mit Modellkreuzfahrtschiffen Schiffe versenken spielt.
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16.12. Langsam plagen mich Quälgedanken. Mordgedanken erweisen sich als zu kurz und daher zu schmerzlos. Also das Mindeste wären Kielholen oder Waterboarding, besser wäre schon, bis zum Hals eingraben und Feuerameisen ihren Job erledigen lassen. Wir schauen noch mal, was Jack Sparrow oder Indiana Jones für Vorschläge machen. Zur Not geht Pfählen. Pfählen geht immer.
20.12. Die Kofferanhänger kommen an meinem allerletzten Arbeitstag und ich kann sie doch noch ausdrucken. Man wird schon demütig.
23.12. Unser Skipper meldet sich doch tatsächlich mit neuen Bandankündigungen. Und macht es wie immer spannend. Bandraten mit Anfangsbuchstaben. Uns fallen viele ein, von denen wir uns auch die eine oder andere wünschen und vorstellen könnten. Aber die tatsächliche Ankündigung ist so unbekannt, da kannze echt nicht draufkommen.
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26.12. Wir sind mittlerweile bei 45 Bands, aber auf die Liste derer, die wir schauen wollen, hat‘s keine davon geschafft Weiß der Henker, wo Skipperisoon die hervorkramt.
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29.12. Seit gestern sind wir in Florida und seit dem 25.12. gab‘s keine weitere Bandankündigung. Wir ahnen und vermuten, der langsame Andy findet keine mehr, die so kurzfristig einspringen kann. Die zuletzt angekündigten kommen allesamt aus USA und sind derart unbekannt, die haben keine anderen Verpflichtungen und brauchen kein Visum. Und wir wissen von Bands der vergangenen Kreuzfahrten, der geht mit den Musikern nicht anders um als mit den Gästen. Entweder fragt er eine Woche vorher erst an oder meldet sich gar nicht mehr.
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30.12. Ich hatte einen Traum. Keinen großen, die Menschheit betreffenden, sondern einen großen, die Kreuzfahrt betreffenden. Die übrigen 15 Bands werden morgen bekanntgegeben, als Silvesterfeuerwerk, sozusagen Silvesterknaller. Ich lach jetzt noch. Denn, was können das für dolle Knaller werden? Da alle, außer dem langsamen Andy, ihre Hausaufgaben beherrschen, stehen sämtliche Termine für Touren, Konzerte und Festivals seit langem fest und wir wissen längst, wer ab dem 7. Januar keine Zeit hat. Das große Feuerwerk kann dann nur aus ein paar mickrigen Zieselmännchen bestehen. Na ja, Böllern ist ja eh nicht mehr zeitgemäß.
Immer noch 30.12. Und wir werden doch abgehört! Ich habe jetzt den ultimativen Beweis. Tatsächlich wurden bereits heute drei neue Bands angekündigt. Und tatsächlich kommt eine davon nicht mal aus den USA. Es kann natürlich auch sein, dass meine Traumdeutung unzuverlässig ist. Aber da schlaf ich besser noch mal drüber.
31.12. Zwei schlaffe Raketen bereits vorm Aufstehen, keine davon hat uns wenigstens ein „Vielleicht“ abgerungen. Und es sind immer noch zehn offen. Was soll ich dazu sagen? Langsam fällt es mir wirklich schwer, das humorvoll zu nehmen. Es langweilt mich nur noch...
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Also zu was Schönerem: ausnahmsweise verbringen wir unsere ersten Tage in Fort Lauderdale. Und obwohl das Wetter bisher bewölkt bis sogar regnerisch war, gefällt es mir besser, als in Miami. Hier sieht es zwar ähnlich aus, jedoch verbreiten Menschen und Atmosphäre mehr Urlaubs- als Partystimmung. Es ist entspannter und legerer, aber leider nicht billiger.
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1.1. Frohes neues Jahr allerseits! Wir sind gut in 2020 angekommen, nur der langsame Andy hängt noch in einer Zeitschleife fest. Später am Tag haben wir unseren Standort nach Florida City verlagert und zwei weitere Bandankündigungen haben es ans Tageslicht geschafft. Wieder für uns ganz unbekannt, aber nicht ganz uninteressant. Wir sind ja schon mit so wenig zufrieden.
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2.1. Zwei weitere Bands, aber wen interessierts?
Immer noch 2.1. Drei weitere Bands - aber nach dem Anhinga Trail in den Everglades, an dem heute wirklich nicht viel los war, mehr Menschen, ach was sag ich, mehr Sprachen als Tiere, nur vier Alligatoren, zwei Graureiher, fünf bis sieben Anhingas, immerhin einige Schildkröten, darunter eine Lederschildkröte, und viele Fische, reißt mich das nicht vom Hocker. Der marode Andy hat‘s überreizt, das wird jetzt nichts mehr. Nur noch unangenehm bis sogar störend.
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Das vorgezogene Abfahrtsdatum war gar nicht sooo schlecht, zur “normalen” Zeit ist mal wieder eine Kältefront in Südflorida, wodurch die örtlichen Leguane von den Bäumen fallen, weil sie in eine Kältestarre verfallen. Wir haben einige dieser Tiere gesehen, eins auf einem Hausdach, das wohl überlegte, sich auf den Boden der Tatsachen zu begeben und wir gespannt waren, wie er/sie/es das wohl machen würde. War ganz einfach: runter springen. ca 3 Meter, locker aufkommen und gleich weiter laufen. Da sollte diesen Tieren auch das unbeabsichtigte Fallen von Bäumen nichts ausmachen.
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3.1. Die letzten drei Bands hat sich der scheintote Andy heute Morgen zwischen Frühstück und Abfahrt aus dem Kreuz geleiert. Da sie uns allesamt unbekannt sind, müssen wir unsere Entscheidung, ob wir sie anschauen wollen, auf später verschieben. Wir haben langsam den Überblick verloren, denn unsere Entscheidung hängt auch von dem Kontrastprogramm ab. Mal sehen, ob wir es schaffen werden, uns noch einmal alle Bands vorm Einschiffen anzuhören. Im Moment haben wir noch viel zu viele „Vielleichts“ dabei. Später am Abend wird klar, was uns den Abschied so schwermachen wird. Wir sind nur auf ein Bier ins Lost Weekend (Alibi) gegangen. Und Simon (klar, kenn ich deinen Namen, kleiner Schweizer) ist schon da, und später trudeln auch noch weitere des kleinen aber harten Kerns ein. Und es ist so schön, sich wiederzusehen. Wir treffen uns nicht oft, dafür aber schon recht lang. Und das wird uns definitiv fehlen.
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4.1. Gestern Abend versuchte der mumifizierte Andy noch zu retten, was zu retten ist, und kündigt eine Bonusband an. Aber wie ich bereits sagte, es ist zu spät. Es ist, als gäbe er ‘nem toten Pferd die Sporen. Wir amüsieren uns heute erst mal anderweitig und schauen, was der sonnige Tag in Miami noch so bringt. Am Bayside Marketplace ist wie immer viel los, wir sitzen in der Sonne, schauen mehr oder weniger merkwürdigen Menschen bei ihren Kussmund-Selfies und Booten beim Ein- und Ausfahren zu. Später am Abend im Alibi trudeln noch ein paar mehr von unseren liebsten Reisebegleitern ein, das Hallo und die Wiedersehensfreude sind wie immer groß und das Bier fließt Pitcherweise. Wir überlegen, im nächsten Jahr als Ersatz die Monsters of Rock Cruise mitzumachen, die Bedingungen und Kosten sind identisch, Schiff, Abfahrtshafen und -zeit, alles bleibt gleich, nur der Veranstalter ist ein anderer und damit ein Profi. Achim hat das sowieso schon vor, uns würde unsere nette Runde aber fehlen. Achim meint, dann nehmen wir die einfach mit. Gute Idee, daran arbeiten wir jetzt. Sind ja doch alles Gewohnheitstiere.
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5.1. Das Wetter ist zwar sonnig, aber es hat ganz schön abgekühlt, kalte 16 Grad, um genau zu sein. Für heute ist die spontane ungeplante Strandparty angesagt. Aber vorher gehen wir noch ein Bierchen trinken.
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Zwischenzeitlich versucht der Mumienskipper, uns mit einem Highlight hinterm Ofen vorzulocken. Und mit Soilwork kriegt er uns fast. Oder es liegt am Spaß, den wir mit den anderen in Miami haben? Und wir stellen alle fest, wie gut es uns geht und wir es haben. Die ungeplante Strandparty war wieder ein voller Erfolg. Mit einer so aufgeputschten Stimmung können wir noch nicht ins Bett, ohne uns vorher im Alibi noch gute Nacht gesagt zu haben.
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6.1. An dieser Stelle möchte ich ein großes Kompliment und ein dickes Dankeschön aussprechen an denjenigen, der die 70K App erstellt hat und sie immer aktuell hält und mit den angekündigten Bands und veröffentlichten Informationen füttert. Diese App ist nicht nur gut gemacht, sie ist auch sehr nützlich. Man kann es schon fast ahnen, das macht nicht der strubbelige Andy, auf so eine Idee käme er nicht mal, das macht einer der mitreisenden Gäste. Ich verleihe ihm daher die Ehrenpommesgabel in Gold mit Schleifchen. Heute Morgen wurde die Running Order veröffentlicht, wieder mal keine Minute zu früh. Alles, was der hirntote Andy nicht, oder nur sehr spät auf die Reihe bringt, gleicht der App-Ersteller aus. Der hat Zeiten und Orte flugs in seine App integriert. Großartig. Vielleicht kann der geschickte Zeitgenosse auch die übrige Organisation übernehmen? Ich wär dafür!
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Die “offizielle” Heavy Metal Beachparty findet wie immer einen Tag vor der Cruise statt. Wieder sind unzählige Metalheads aus aller Herr*innen Länder am Strand und haben ihren Spaß. Die örtliche Polizei schaut mit mehreren Autos und 2 Hubschraubern vorbei, freut sich aber, dass wir so friedlich sind und posen für das eine oder andere Foto.
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Die anschließende Party im Clevelander haben wir ausgelassen und uns lieber mit Freunden im Alibi getroffen. Nicht nur weil man für den Preis von einer Dose hier einen ganzen Pitcher Bier bekommt, sondern weil es einfach gemütlicher als mit ein paar hundert Amis in freier Wildbahn zu feiern.
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7.1. Wir sitzen abfahrtbereit im Hotel und warten auf den Bus, der uns in den Kreuzfahrthafen von Fort Lauderdale bringen soll. In der Zwischenzeit haut der meschugge Andy einen echten Schenkelklöpper raus. Er würde ja unsere Wünsche und Anregungen sehr ernst nehmen, meint er, und nach stundenlangen und anstrengenden Sitzungen wären sie zu folgender Verbesserung gekommen... Achtung, jetzt kommt‘s... Auf der Tour 2020... haltet euch fest... sind jetzt erstmalig... jetzt kommt‘s wirklich... auch zwei Poolboys dabei. Zack, da haut‘s mich nieder. Als wären die Poolgirls nicht schon so überflüssig wie ein Kropf. Die Titanic ist mit Volldampf gegen den Eisberg gebrettert, bricht in der Mitte durch und der sanitäre Andy kommt mit ‘nem Heftpflaster um die Ecke.
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Unser Bustransfer ist pünktlich, freundlich und Agostin, der Fahrer, bringt sogar den Papa mit. Aber unser Einstieg in die zehnte Runde war alles andere als erfreulich. Fast hätte man uns nicht aufs Boot gelassen. Plötzlich und unerwartet wollte man von uns, und offenbar nur von uns, das Ablaufdatum unseres ESTA wissen. Das steht nirgendwo, dass man das braucht, und bei den zehn Fahrten mit Royal Caribbean wurde das noch nie erfragt, aber plötzlich müssen wir das parat haben. Man ist so hilflos, wenn man nicht in seiner Muttersprache argumentieren kann, und mich regt sowas auf. Aber das durfte ich nicht. Menschen, die es nie nötig haben, in andren Sprachen zu sprechen, als in ihrer eigenen, können das wohl nicht verstehen. Volkers Versuche, die ESTA auf seinem Laptop aufzurufen, scheiterte an der schwächelnden Batterie. Die mittlerweile vier aufgelaufenen Mitarbeiter wussten auch nicht weiter und ließen uns erst mal an Bord. Ich habe nicht verstanden, was das sollte, und auch nicht, wie es weitergehen sollte.
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An Bord lief dann aber alles wieder hervorragend. Wir hatten zum Anlass unserer zehnten Cruise schon mit einem Highlight oder einer Überraschung gerechnet, aber was da beim Betreten unserer Kabine auf unserem Bett lag, hat uns schon ein bisschen die Sprache verschlagen. Ein personalisierter Tischkalender! Wow, ich bin sprachlos vor Glück. Das kann ich doch gar nicht annehmen – dass das alles sein soll
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