Kiel

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Volker hatte eine Woche frei und wollte seinen alten Kumpel in Laboe besuchen. Und ich entschied kurzfristig und fürs Wochenende hinterher zu fahren. Meine bahnbrechende Eingebung: da bietet sich doch glatt mal die Bahn an. Aber so einfach ist es nun doch wieder nicht, an ein Ticket zu kommen. Klar, haben die mittlerweile auch was vom WorldWideWeb gehört und bieten auch – wie sich das gehört – einen Fahrplan inklusive Verbindungen an. Ob aber eine Umsteigzeit von drei Minuten wirklich ausreichend ist, wollte ich lieber nicht ausprobieren. Auch der Super-Sommerpreis von nur 29,- Euro war wohl eher als Lock-Angebot gedacht, denn dass diese Tickets komplett ausverkauft sind, erfährt man erst, nachdem man sich schon einige Zeit durchgeklickt hat. O.k., nehme ich halt ein reguläres. Um das aber via Internet zu erhalten, muss man sich erst einloggen. Das Passwort muss aus mindestens 8 Zeichen bestehen, erfährt der geneigte User natürlich erst, nach dem er mühevoll versucht hat, das üppige Formular auszufüllen. Dass das Passwort außerdem eine Kombination von Ziffern UND Buchstaben oder Sonderzeichen sein muss, erfährt man, nachdem man es auf die geforderte Länge gebracht hat. Außerdem wird man gleich zu Anfang aufgefordert, seine Kreditkarten-Daten einzugeben. Ohne vorher irgendwelche Sicherheitshinweise oder dergleichen passiert zu haben. Und die Kreditkarte soll auch als Identifikation dienen, also muss man deren Daten auch gleich zwei Mal eingeben. Nach dem man nun mittlerweile ziemlich genervt ist aber doch endlich alles richtig gemacht hat, kommt die Hiobsbotschaft: Sitzplatzreservierung leider nicht möglich.
Die Bahn kommt – und ich komm in Rage. Was soll ich denn mit einer dreistündigen Bahnfahrt ohne Sitzplatz?

Am Bahnschalter (der zwar zum Glück wieder kompetent, aber leider nicht an jedem Bahnhof) besetzt ist, klärte man auf, dass die Sitzreservierung im Internet aus technischen Gründen leider noch nicht möglich sei.

Nun gut, brauchen wir uns ja auch nicht dran zu gewöhnen, kommt ja nicht so oft vor.
Es wird Freitag, ich habe mein Gepäck aufs Notwendigste reduziert und stehe etwas zu früh am Ennepetaler Bahnhof, der zu seiner Zeit sicherlich ein Schmuckstück war. Das Holz verkleidete, 150 Jahre alte Bahnhofsgebäude ist zu nichts mehr nutze, wirkt ausgestorben und verlassen. Mittlerweile ist alles verkommen und verdreckt, und wenn ein Schnellzug durchbraust, dann wird allerhand Müll aufgewirbelt. Es fehlen eigentlich nur noch die rollenden Büsche – und man befände sich mitten in einer Szene von 12 Uhr mittags. Und etwas irritiert stelle ich fest, dass die Bahnhofsuhr exakt um eine halbe Stunde nachgeht. Das einzig Reale, das einen wissen lässt, dass einen die Zivilisation doch nicht so ganz verlassen hat, sind die Durchsagen. Ausnahmsweise mal klar und deutlich zu verstehen, wird die Verspätung eines Zuges gemeldet. Und kurz darauf wird wie nebenbei verkündet, dass der RE sowieso (also MEIN Zug) wegen eines Triebwerkschadens heute nicht fahren wird. Hossa. Das war doch erst der Anfang, der sollte mich doch erst zu meinem IC bringen. Ich überlege fieberhaft, wie ich jetzt nach Dortmund kommen soll und ob die Zeit überhaupt reicht. Ob die S-Bahn bis Dortmund fährt? Oder sollte ich mit dem Auto....? Und wo ist dort der Bahnhof? Ich setz mich erst mal hin und genehmige mir ein Schlückchen aus meinem "Reiseproviant". Die zwei Piccolöchen sollten eigentlich für die über fünf Stunden dauernde Fahrt reichen. Egal, wer weiß, wann und ob überhaupt ich noch dazu komme.

Mittlerweile wird auch die Durchsage von soeben wiederholt und anschließend erklärt, dass Weiterreisende nach Dortmund den Zug mit der Verspätung nehmen können um nach Hagen zu fahren, dort gibt es dann Anschluss. Na, das ist doch schon mal was, nach Hagen hätte ich (proportional zu meinem Endziel) auch fast zu Fuß gehen können, aber was soll's. Der verspätete Zug ist etwas früher dran, als mein ursprünglicher – und rappelvoll. Die Leute stehen im Gang und sitzen auf den Treppen oder auf ihrem Gepäck. Und wieder habe ich ein Déjà Vu, diesmal befinde ich mich in einer Zwischenwelt – mitten in einer Szene aus Beetle Juice, im Warteraum für kürzlich Verstorbene .... rechts von mir sitzt eine kleine Gruppe Leute, die mich an die Bieber Brüder erinnern.

Als ich für diese Geschichte nach passendem Bildmaterial suche, stelle ich fest, dass den beiden Comic-Gesellen nicht gerecht werde, die sehen zehnmal besser aus.
Mir gegenüber stehen zwei Mädchen, die offensichtlich nicht zusammen gehören, und auch sonst sehr unterschiedlich sind, aber dennoch beide über das gleiche eingedrückte Gesicht verfügen. Die Augen-Nasen-Partie sitzt soweit zurück, als wären sie vor einen Amboss gelaufen.
Links von mir, auf der Treppe, sitzt eine junge Frau mit Beinen, die stärker behaart sind, als die eines Schimpansen. Und, damit sie auch so richtig zur Geltung kommen, hat sie die Hosenbeine etwas aufgerollt.

Und ich? Ich für meinen Teil bin froh, dass ich mich für den Rucksack entschieden habe. So ein Trolley wäre während einer Fahrt im Stehen doch viel zu bequem gewesen.
Noch ein Nachteil des Stehens, man kann nur sehr schlecht aus dem Fenster sehen um zu erkennen, wo man ist.

In Hagen angekommen und überlegend, wie es jetzt wohl weiter gehen wird, wurde ich gleich von einer weiteren Ansage empfangen. Diesmal nicht ganz so deutlich, da an diesem größeren Bahnhof die Nebengeräusche einfach zu laut sind. Aber so viel erfahre ich, es geht mit der S-Bahn weiter nach Dortmund. Uuuuups – S-Bahn? Das ist doch das Dingen, das an je-dem Briefkasten anhält. Ob dafür meine Zeit reichen wird?
Also erst mal der Masse hinterher, die wissen bei ihrem zielstrebigen Gehen sicher wo der Ausgang ist, und auf den nächsten Plan geschaut. Tja, tatsächlich ist die S-Bahn das einzige und nächste. Und die Zeit ist zwar knapper als geplant, könnte aber reichen. In der S-Bahn hatte ich Glück einen Bahnmitarbeiter zu treffen, der mir sagen konnte, in welche Richtung ich den Zug verlassen muss um meinen Anschluss nicht zu verpassen. „Auf Gleis 5" erfahre ich. „Au gut, dann hab ich es ja nicht allzuweit bis Gleis 8....." „Ne, ne", meint der, „die S-Bahn hält ganz weit hinten und man muss noch ziemlich lang den Bahnsteig entlang, die Treppe runter, durch die Unterführung ...“ Ich habe dann einen Teil des Weges bereits in der Bahn hinter mich gebracht, jedenfalls so weit es ging, und fand mich anschließend dank der Auskunft auch ganz gut zurecht.
Und tatsächlich, ich saß noch nicht ganz auf meinem Platz, da ging's schon los. Den in Dortmund eingeplanten Snack konnte ich allerdings abschreiben.
Die dreistündige Fahrt in dem IC war äußerst angenehm, und das, obwohl ich die ganze Strecke rückwärts fuhr. Der Zug säuselt nur so dahin und macht lediglich zwei Stops bis Hamburg.
Der letzte Umstieg war der einfachste und sorgenfreieste, da ich auf meinem Bahnsteig bleiben konnte. Und warten musste ich auch hier nicht lange. Allerdings waren eine Menge Turbulenzen zwischen Hamburg und Kiel, und nach einer Stunde Gerüttel und Geschüttel im Rückwärtsgang kam ich endlich spät und äußerst seekrank an.

Fazit: Diese Art des Reisens ist mit Sicherheit nichts für Alte, Kranke, Schwache. Die unterschiedlichen Methoden die Türen zu öffnen und die manchmal abenteuerlich hohen Stufen zu bezwingen - und das mit mehr als einem Gepäckstück - erfordern schon ein gerüttelt Maß an geistiger und körperlicher Beweglichkeit.
In Kiel wurde ich von Volker abgeholt, der dank seiner Größe in der Menschenmenge wie ein Leuchtturm in der Brandung auszumachen war. Und endlich konnte ich aufs Klo gehen. Auf den Bahnhöfen war ja nie genug Zeit und in der Bahn habe ich mich nicht getraut, einerseits wollte ich mein Gepäck nicht alleine lassen und andererseits hatte ich die gestrige Meldung noch im Kopf, wo Bahnreisenden die Scheiße um die Ohren geflogen ist.

Jetzt noch eine halbe Stunde nach Laboe – und dann bin ich endlich angekommen.

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