Wer eine Rim to Rim Wanderung unternehmen möchte, also von einer Seite des Grand Canyons zur anderen wandern möchte, und kein Leistungssportler ist sollte nach meiner Erfahrung (27. Mai, Südrim zu Nordrim von 5:00 bis 21:00) ein paar Fakten beachten:
- Welche Richtung? Nord nach Süd dürfte viel einfacher sein, ist aber logistisch schwieriger. Am Südrim kann man direkt am Trailhead übernachten und 10 Minuten nach dem Aufstehen loslaufen.
- Wann starten? Mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang. Das heißt zwar im dunkeln, hat aber später erhebliche Vorteile.
- Kleidung? Ein Sportunterhemd, Laufshirt, Treckinghose mit zipoff Beinen war ideal.
- Wasser? Ein Trinkrucksack mit 2 Liter ist optimal. Mehr ist Blödsinn es sei denn man will South Kaibab hoch. Dazu eine leer Plastikflasche, um an den Wasserstellen jeweils eine Magnesiumbrausetablette zuzugeben. Gatorade ist ein typischer Anfängerfehler und völlig ungeeignet.
- Essen? Wer wie ich eher zuviel Gewicht hat, braucht nicht wirklich viel. Banane (ideal getrocknet, gibt es im Supermarkt), Powerriegel und Nüsse sind OK. Ich habe viel zuviel mitgeschleppt und jedes Gramm zählt.
- Andere Hardware? Eine kleine Sprühflasche wäre sehr hilfreich gewesen. kann man im Bright Angel Creek füllen und hilft, die Körpertemperatur zu senken. Hatten einige andere Wanderer und die hatten recht. Dazu ein billiges Walkytalky, wenn man sich abholen lässt. Dann kann man schon so zwei Stunden vor trailende mit dem Abholer Kontakt aufnehmen.
- Kopfbedeckung nicht vergessen, am besten etwas, das auch den Nacken bedeckt.
- Lohnt es sich? Unbedingt. Ich bin 59, habe mich nicht wirklich vorbereitet und es trotzdem überlebt. Also machbar aber nicht ganz zu unterschätzen.
- Was habe ich komplett falsch gemacht? Keine Taschenlampe mitgenommen (kein Problem, zwei supernette Amerikanerinnen haben mir ihre auf den Weg gelegt), Strecke von Phantom bis Cottonwood als leicht angenommen - das ist der Killer, weil unglaublich warm und ohne Schatten.
Text: Gert Sauer - Bilder: Holger von www.arizonas-world.de
Die Rim2Rim Wanderung war Teil eines Urlaubs im Südwesten der USA. Wir waren schon vorher mehrfach in dieser Gegend, wurden aber diesmal von unserem Sohn und dessen Freundin begleitet. Dadurch waren die Hauptsehenswürdigkeiten Programm, die man einfach gesehen haben muss. Wir sind über SF nach Phoenix geflogen, haben in Prescott übernachtet und haben am nächsten Tag durch Jerome und unseren Lieblingsort Sedona (zusammen mit Moab) den Grand Canyon erreicht. Der nächste Tag (Freitag vor Memorial Day) war dann mit Rim2Rim belegt. Gewandert sind nur mein Sohn und ich, den Damen wollte ich das nicht zumuten, hätte auch die umgehende Scheidung bedeutet. Außerdem brauchte wir ja jemanden, der das Auto zum North Rim bringt. Man bemerke also, wir haben uns kaum akklimatisiert, nicht an die Höhe gewöhnt und sind vorher keinen Meter zusammen gewandert, nach dem Motto, einfach kann ja jeder. Mental habe ich mich allerdings vorbereitet, das Höhenprofil studiert, Wanderberichte im Internet gelesen, die neuen Wanderboots auf dem Laufband ein wenig eingetreten und alles notwendige eingekauft. Als notwendig habe ich eine vernünftige Mütze, einen Trinkrucksack, ein kleines erste Hilfe Päckchen und 2500cal Verpflegung angesehen (viel zu viel). Wanderstöcke und passende Kleidung hatten wir. Zur Ausrüstung folgende Erfahrungen: Wanderstöcke sind hilfreich und haben sich für diese Tour bewährt. Mein Trinkrucksack fasst 2 Liter, was ich als ideale Größe ansehe. Schuhe und Socken muss man vorher ausprobieren; es ging nicht ganz ohne Blasen, aber keine haben mein Laufen beeinträchtigt. Morgens ist es noch zu kühl am Rim, um in kurzen Hosen und dünnem Hemd nicht zu frieren. Deshalb habe ich zum Synthetik-Laufshirt ein kurzärmliges Skiunterhemd getragen, das ausgezogen kaum ins Gewicht fällt, und ein Treckinghose mit zipoff Beinen benutzt. Das hat sich alles als sinnvoll und richtig herausgestellt. Als weiteren Ballast habe ich noch die Videokamera an den Gürtel gehängt, eine kleine Canon, die nicht groß aufträgt. Wir haben in der Maswick Lodge übernachtet, dadurch betrug die Distanz zum Bright Angel Trailhead nur wenige Minuten, was den Start sehr vereinfacht. Im Nachhinein vermute ich, dass der kürzere Weg über den South Kaibab Trail insgesamt einfacher gewesen wäre, aber eben auch umständlicher. Mein Plan sah vor, um kurz vor 5 zu starten und irgend wann zwischen 17:00 und 20:00 Uhr anzukommen. Da, die „Jugend“ nie rechtzeitig fertig ist, waren wir dann kurz nach 5 am Trailhead, bereits bei fast vollem Tageslicht und zwei von mehreren, die losgingen. Ich bin schon mal vor einigen Jahren den gleichen Weg bis zur Phantom Ranch und zurück gelaufen, im September niedrigerer Temperatur und habe diese Tour als für mich sehr anstrengend aber für einen sportlichen Jungspund als leichte Übung eingeschätzt. Immerhin hatte ich damals einen ungeheueren Muskelkater. Aufgrund der Zahl der Wanderer zu der offensichtlich zu späten Stunde haben wir erst mal einen Spurt eingelegt, um die Ruhe im Canyon genießen zu können. Das hat an sich gut geklappt, aber wahrscheinlich sind wir dann von Anfang an etwas zu schnell gegangen, was sich später rächt. Am 1.5 Mile Resthouse waren wir in rd. einer halben Stunde, am 3 Miles Resthouse in einer Stunde und Indian Garden war nach knapp 2 Stunden erreicht. Dort haben wir eine kurze Pause eingelegt, etwas gefrühstückt und die Szenerie genossen. Nach Indian Garden kommt ein sehr schön zu laufendes Stück, nicht steil, guter Weg, bevor es in Devils Corksrew wieder kräftig bergab geht, allerdings mit super Ausblicken. Die entgegenkommenden Wanderer haben Vorfahrt und blicken meist nur starr auf ihre Füße. Da heißt es, sich ganz am Rand zu bewegen, um nicht zusammenzustoßen. Nach drei Stunden waren wir am Colorado, exakt in meinem Zeitplan, und nach kurzer Parallelwanderung zum Fluss haben wir erst mal die Unterhemden ausgezogen und die Hosen gekürzt. Ab jetzt war es bereits unverschämt warm. Von meinem Ausflug im September hatte ich die Strecke am Colorado als relativ leicht in Erinnerung, diesmal war der Eindruck aber anders. Der Pfad geht auf und ab und lag bereits voll in der Sonne, und die Sonne macht es nicht leichter. Entsprechend brauchten wir noch eine volle Stunde bis zur Phantomranch, dort war ich zumindest nicht mehr ganz frisch. Die Lehre daraus ist früher zu starten um die Strecke am Colorado noch sicher im Schatten zu gehen. Außerdem habe ich die Pace wohl etwas zu optimistisch schnell gemacht für einen langen Wandertag. Grundsätzlich bringt einen ja die Schwerkraft nach unten, und wer keine Knieprobleme hat, der merkt den Energieverbrauch und die Muskelbewegung kaum, die Wirkung kommt aber später. Ich kenne den South Kaibab Trail nicht, vermute aber, dass kürzer und steiler insgesamt leichter ist. Vor allem fällt das ständige auf und ab entlang des Colorado weg. Die 2. Pause an der Phantom Ranch war sehr angenehm, man sitzt auf Bänken im Schatten, es wehte ein lauer Wind, der zur Kühlung beitrug und wir füllten die mitgebrachte leere Plastikflasche ein zweites Mal mit einer Magnesium-Brausetablette und dem auch hier stark nach Chlor schmeckenden amerikanischen Standard-Leitungswasser. Den Trinkrucksack füllten wir auch wieder auf, bis hier hatten wir die 2 Liter noch nicht komplett verbraucht. Die Wasserflasche packten wir dann leergetrunken wieder ein. Hinweis: wer kein Wasser aus dem Bach trinken möchte, der sollte sie lieber füllen. In meiner mentalen Vorbereitung kam jetzt der leichte Teil bis zum Cottonwood Campground – welch ein Irrtum. Die erste Meile entland dem Bright Angel Creek hat ja noch Schattenpassagen, damit ist aber bald Schluss und es wird brütend heiß. Dabei hatten wir noch nicht einmal einen wirklich heißen Tag erwischt. Im Hochsommer muss das die Hölle sein. Die Strecke umfasst nur 300 Höhenmeter auf 10km, also eigentlich Spaziergang. Tatsächlich geht es aber dauern auf und ab und die Sonne zermürbt regelrecht. Ich bin schon bei über 40 Grad zum Delicate Arch hochgelaufen, und dort gibt es bekanntlich auch keinen Schatten, aber das hat mir im Vergleich nichts ausgemacht. Auf die sich unendlich hinziehende Strecke hat die Sonne eine ganz andere Wirkung. Wahrscheinlich hätten wir uns öfter am Bach abkühlen sollen, dessen Wasser tatsächlich sehr frisch war, aber zum Bach muss man meist über viele Steine klettern, mit zusätzlicher Anstrengung und Zeitverlust. Einige Wanderer, die uns entgegen kamen hatten eine Sprühflasche dabei, mit der sie Arme, Beine und Gesicht einsprühen konnten – eine ganz clevere Lösung des Überhitzungsproblems. Mein Sohn hat wesentlich mehr Oberfläche (sprich Länge) als ich und braucht mehr Wasser. Auf diesem Teilstück hat sein Wasservorrat nicht gereicht und meiner war dann auch schnell zu ende, als zwei daran sogen. Das Wasser aus dem Creek ließ sich aber ohne Begleiterscheinung trinken, schmeckte nicht nach Chlor und war herrlich kalt. Allerdings hatte der Creek einen sehr hohen Wasserstand aufgrund der Schneelage am North Rim und war vielleicht auch deshalb vollkommen klar. Auch hierfür ist die einzelne Wasserflasche sehr hilfreich. Wir saßen mal wieder völlig ermattet auf einem Stein als ein kreuzender Wanderer flüsterte: five minutes, there is Cottonwood Campground, shade, fresh water, opportunity to take a nap. Ich hätte ihn küssen können. Kurz vor 14:00 lagen wir dann vor der Rangerhütte auf blanken Felsen im Schatten, und ich dachte, ich liege im Himmelbett. Ein wunderbares Gefühl solange man die Tatsache verdrängen konnte, dass ab hier gut 10km und der eigentliche Anstieg noch kommen. Mehr als eine halbe Stunde Pause war nicht drin, und es ging wieder los. Inzwischen hatte sich der Himmel zugezogen, es donnerte kräftig und ein paar Tropfen fielen. Wenigstens keine Sonne mehr aber dafür schwül. Ein kräftiges Gewitter hatten wir auch nicht auf dem Wunschzettel. Mit Glück zog das aber irgendwie vorbei, und wir blieben verschont. Der Aufstieg ist landschaftlich beeindruckend, superschön aber auch ziemlich anstrengend aus den taktischen Pause wurden schnell Zwangspausen und aus wenigen bald viele. Wären wir nicht schon viel zu müde für größere Gefühlsregungen gewesen, hätte uns der Überholvorgang durch zwei jungen Damen vollends am Boden zerstört. Die liefen zwar im Prinzip langsamer aber viel stetiger. Immerhin gingen wir ein Stück zusammen, unterhielten uns so weit es der kurze Atem zuließ prächtig und wir hatten auch wieder eine Vorstellung wo wir waren, denn die beiden kannten den Weg. Später, als sie schon längst weit vor uns und nicht mehr zu sehen waren, lag dann eine Taschenlampe auf dem Weg. Sag noch mal einer etwas über Amerikaner im allgemeinen und nette Amerikanerinnen im Besonderen. Wir hatten so um 18:00 erstmals Kontakt mit unser Abholcrew über das Aldi-Walkytalky. Telefon geht nirgendwo im Canyon. Die krächzende aber gerade noch Verständliche Botschaft lautete, frühestens um 8 könnt ihr mit uns rechnen. Da war aber der Wunsch Vater des Gedankens. Um 21:00 waren wir dann oben; ab 8 ist es stockdunkel. Am Supai Tunnel haben wir zum letzten Mal Wasser gefasst und uns wieder wärmer angezogen. Ab jetzt wurde es ziemlich frisch. Der letzte Aufstieg durch den Wald fordert dann auch die letzten Kräfte. Immerhin war ich schon vor Jahren einmal mit meiner Frau ein Stück am Nordrand hinuntergelaufen und hatte eine Vorstellung vom letzten Stück. Nach 16 Stunden hat mich meine Frau in die Arme geschlossen, mit der Stunde Zeitverschiebung waren wir um Mitternacht in Kanab im Hotel. Mein Sohn meinte „nie wieder“, ich habe schon am nächsten Tag gedacht, das nächste Mal mach ich es besser.
Man kann alles machen und nichts ist falsch oder richtig, es kommt immer darauf an, was das Ziel ist. Nachmittags starten hatten folgenden Sinn: Nach meiner Erfahrung liegt das anstrengendste Teilstück zwischen Cottonwood und Phantom, weil es dort unglaublich heiß wird und sich der Weg unter einer brennenden Sonne wirklich endlos hinzieht. Wem das nichts ausmacht, der kann dieses Teilstück natürlich in die Mittagszeit legen. Ich bin dort jedenfalls zwischen 10:00 und 14:00 gelaufen und würde das in zukunft möglichst vermeiden. Die rd. 7 Meilen von North Rim bis Cottonwood läuft man zügig in drei Stunden und hat immer noch genug Reserve zum Schauen und Genießen. Wer morgens losgeht, der kann der Hitze nicht entgehen, es sei denn er bleibt lange am Cottonwood Campground, da gibt es aber nichts zu sehen. Dagegen dürfte der Wandergenuss zwischen 5:00 und 8:00, wenn man Cottonwood sehr früh verlässt ziemlich grandios sein, denn der Weg am Bright Angel Creek ist in Teilen sehr schön. Die Nacht am Bright Angel Campground zuzubringen, ist abgesehen von der Sonnenfrage sonst sicher die beste Wahl, weil man sich auf diese Weise die Energieleistung ziemlich gleichmäßig auf zwei Tage verteilt. Bedenken sollte man wieder, dass das Teilstück Devils Corkscrew ebenfalls stark hitzebelastet ist und außerdem noch kräftig steigt, also auch besser nicht zwischen 9:00 und 15:00 begangen werden sollte, soweit sich dies vermeiden lässt. Ich bleibe bei meiner Einschätzung von jetzt zwei Wanderungen, die Höhenmeter sind nicht so schlimm. Das laufen sehr viele in den Alpen und haben kein Problem. Die für gemäßigte Mitteleuropäer ungewohnten Temperaturen sind der Knackpunkt und auch ein gesundheitliches Risiko. Ich wiederhole allerdings nochmals: wer fit ist, braucht sich keine Gedanken zu machen und kann gehen wie er lustig ist.
Eine Geschichte über eine Wanderung zum Point Sublime am North Rim kann man hier lesen.
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